Train-the-brain mal anders: Nutze deinen Emotionsmanager!
Lass uns heute einen Blick auf das Gehirn werfen. Das ist nämlich äußerst spannend, um zu verstehen, warum uns Stress oft näher als Entspannung ist und warum es manchmal so schwer fällt, sich für das einzusetzen, was wir wirklich wollen.
Wunderwaffe mit Nebenwirkungen
Das Gehirn ist eine wahre Wunderwaffe fürs Überleben und enthält das Erbe von Millionen Jahren der Evolution.
Und trotzdem kann es im Gehirn zu Interessen-Konflikten einzelner Bereiche kommen, die zu ungesunden Verhaltensmustern führen und so einen wesentlichen Einfluss aufs Wohlbefinden haben.
Die evolutionsbiologisch älteren Teile neigen nämlich dazu, mit den jüngeren Anteilen in Streit zu geraten.
Es war einmal …
Der Hirnstamm, oder auch Reptiliengehirn genannt, ist der älteste Teil des menschlichen Gehirns. Er hat sich bereits vor ca. 500 Millionen Jahren entwickelt. Alle Wirbeltiere haben diesen Gehirnteil. Das Reptiliengehirn ist zuständig für die Jagd auf Beute und die Reproduktion, sorgt also sowohl für individuelles Überleben als auch fürs Überleben der Art.
Oberhalb des Hirnstamms schließt sich das limbische System an. In der Evolution entstand das Limbische System während der Entwicklung der Säugetiere. Darum wird es auch als Säugetiergehirn bezeichnet, da alle Säugetiere ein limbisches System haben.
Es ist zuständig für das Zusammenleben in Gruppen, Bildung von Hierarchien, die Sorge um den Nachwuchs, Liebe, Lust, und Spieltrieb. Das Limbische System ist eigentlich keine anatomische, sondern eher eine funktionale Einheit, basierend auf den Funktionen von Emotion, Antrieb und Lernen.
Besser, schneller, weiter
Der Neocortex ist der stammesgeschichtlich jüngste und flexibelste Teil der Großhirnrinde. Er ist für komplexere Formen des Zusammenlebens zuständig und eröffnet uns viele Möglichkeiten:
Wir können diskutieren, argumentieren, uns disziplinieren und Belohnungen aufschieben. Wir können Zukunftsszenarien abwägen, uns für eine Sache entscheiden oder alles verwerfen, über Vergangenes nachdenken, uns dank unserer Vorstellungskraft ärgern, auch wenn es gerade nichts zu ärgern gibt, wir können Fantasien über unser und das Leben anderer Leute entwickeln – und vieles mehr.
Dadurch haben wir die Möglichkeit, uns und unsere Umwelt stets zu verändern. Wir können viele Probleme viel, viel besser lösen, als unser Vorfahr das je konnte.
Steckst du in der Stressfalle?
Der Neocortex sorgt auch für Grübeln, Kopfzerbrechen, Anspruchsdenken, Überforderung – und kann uns ganz schön auf Trab halten.
Und nicht nur das: Die „alten“ Anteile sind ja auch noch da und versorgen uns mit Impulsen.
Das kann zu Kollisionen führen, bei denen nicht immer klar ist, welcher Anteil „gewinnt“.
Streit entsteht dann, wenn die Informationen im Gehirn nicht zusammenpassen: Wenn du dich beispielsweise an das unerfreuliche Gespräch von letzter Woche erinnerst, bei dem du so harsch kritisiert wurdest. Du ärgerst dich immer noch darüber. Jetzt, hier, am Sonntagnachmittag, während du bei Kaffee und Kuchen auf der Terrasse sitzt.
Du wünschtest, du wärest schlagfertiger gewesen, hättest vielleicht mal nachgefragt, was dein Gegenüber meint, als er sagte, du seist ein zweidimensionaler Denker. Stattdessen hast du alles einfach eingesteckt. Hättest du doch nur eine kluge Frage gestellt. Du hast dafür doch extra ein Schlagfertigkeitsseminar besucht. Leider ist dir trotzdem nichts eingefallen.
Welches System bekommt nun die Oberhand? Das sogenannte Alarmsystem, das sich aus älteren Teilen des Gehirns speist und für die „Fight or Flight“ Reaktion zuständig ist? Dann bist du jetzt voll in der Stressreaktion, obwohl du ja eigentlich, in diesem Moment am Sonntagnachmittag, nicht in Gefahr bist. Der Neocortex hat verloren, das Alarmsystem hat den Sieg davon getragen.
Nutze deinen Emotionsmanager!
Oder gewinnt der Neocortex, weil du gelernt hast, diesen als Manager deiner Emotionen zu nutzen? Dann läuft der innere Dialog ein bisschen anders ab: Dein Emotionsmanager analysiert die Situation und versichert dir, dass du an diesem Sonntagnachmittag keineswegs in Gefahr bist, trotz der Ärgergefühle. Er erinnert dich freundlich daran, erst mal tief durchzuatmen. Und sorgt dafür, dass du genau jetzt wieder runterfährst und das Gedankenkarussell zum Stillstand bringst.
Wie kannst du deinen Neocortex zum Emotionsmanager ausbilden?
- Trainiere deine emotionale Agilität
Gefühle wie Ärger, Angst, Unlust aber auch Neugier, Freude, Lust geben dir Informationen, aber keine Anweisungen.
Trainiere, deine Emotionen adäquat wahrzunehmen – und abzuwägen:
Welchem Gefühl gibst du nach? Welches Gefühl regulierst du? Wo ist ein Stopp angesagt? Genau das ist das Prinzip der Achtsamkeit: Mitkriegen, was los ist; entscheiden, was welchen Raum bekommt. Meditation und Achtsamkeit im Alltag helfen dabei, emotionale Agilität zu entwickeln.
- Glaub’ dir nicht alles, was du denkst
Auch der beste Manager kann sich mal irren. Du hast im Schnitt 60.000 Gedanken am Tag. Manche davon basieren auf der äußeren Realität, viele jedoch auf blitzschnell gefällten inneren Bewertungen. Gedanken lösen Gefühle aus, und Gefühle lösen Gedanken aus. Es lohnt sich also regelmäßig zu überprüfen, ob es überhaupt eine äußere Entsprechung für den Gedanken gibt. Das macht den erfolgreichen Emotionsmanager aus.
Ein kleines Beispiel: Es ist Montagmorgen. Ein Kollege kommt zur Tür herein und sagt „Guten Morgen“. Wieso tut er das, fragst du dich. Sonst grüßt er nie. Weiß er was, das ich nicht weiß? Klang das „Guten Morgen“ nicht irgendwie schadenfroh? Der Neocortex hat die Situation analysiert und dir eine Geschichte erzählt. In diesem Fall ist es nicht das Alarmsystem, das den Neocortex triggert, sondern anders herum: Das Alarmsystem springt aufgrund deiner gedanklichen Bewertung der Situation an. Die Gründe können vielfältig sein.
Wichtig ist jetzt die Überprüfung der äußeren Realität – und nicht aufgrund von inneren Überzeugungen zu reagieren.
- Bei Pleiten, Pech und Pannen: Entwickle Freundlichkeit und Mitgefühl dir selbst gegenüber
Wenn du dir selbst zukünftig wie deinem allerbesten Freund, der besten Freundin gegenüber trittst, macht dir das die Sache leichter.
Nimm bewusst wahr, wenn dich etwas betroffen macht: „Das ist jetzt eine schwierige Situation.“, „Wow, das tut weh!“ oder „Da ist echt was schief gelaufen“.
Akzeptiere, dass es so ist – ohne dich selbst zu verurteilen.
Öffne dein Herz für dich selbst. Begegne dir so mitfühlend, wie du einem Freund in einer ähnlich misslichen Lage begegnen würdest: „Was kannst du jetzt gebrauchen, gerade wo es dir schlecht geht?“ oder „Was tut dir heute gut?“
Möchtest du dazu mehr erfahren? Unsere Coachingformate basieren darauf, diesen Entwicklungsprozess zu unterstützen und zu begleiten.
„If your compassion does not include yourself it is incomplete“ (Jack Kornfield)