Der Sprung in positives Denken versagt in Krisen
Krisen gehören zum Leben dazu. Die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland des RKI schätzt, dass ca. ein Drittel von uns einmal im Leben sogar eine schwere seelische Krise erfährt. Auch Wirtschaft und Politik sind voll von Krisen. Sehr schnell hören wir dann „jede Krise ist eine Chance, positiv bleiben“. Nur versagt dieser Sprung in positive Denken meist kläglich, und das liegt an der Geschwindigkeit.
Krisen sind keine Katastrophen
Wir werfen die beiden Wörter oft durcheinander, doch Krisen unterscheiden sich von Katastrophen. Katastrophen sind plötzlich da und brechen über uns herein. Krisen dagegen kommen häufig schleichend. Vor allem haben Krisen die unangenehme Eigenschaft, einen Kipppunkt zu haben. Nach diesem sind sie nicht mehr zu beherrschen, Panik kommt in uns auf. Diese wird am besten durch vorsichtiges Schritt-für-Schritt eingedämmt, nicht durch zackiges Das-wird-schon. Das betrifft wirtschaftliche Krisen genauso wie persönliche Krisen.
In vier Phasen durch Krisen
Die Schweizer Psychologin Verena Kast hat erforscht, wie wir mit Krisen umgehen. Sie beschreibt vier Phasen.
- Nicht-wahrhaben-wollen: der klassische Kopf im Sand, eine Schutzreaktion, an die wir uns später meist gar nicht mehr erinnern
- Aufbrechende Emotionen: wir fühlen Angst, Wut oder Schuld, Überraschung und Freude, vor allem aber wechseln sich diese Gefühle laufend ab und fahren Achterbahn
- Suchen, finden und trennen: wir schwanken zwischen Klammern an Vertrautem und Ausprobieren neuer Wege, wahre Bedürfnisse werden uns klarer und wir befreien uns von Belastungen
- Neue Orientierung zu sich und anderen: wir rütteln uns neu ein in unserem Umgang mit uns selbst, häufig auch in der Art, wie wir anderen Menschen begegnen
Das berühmte Pfeifen im Wald
Krisen bergen also sehr wohl Chancen für Gutes, aber eben erst gegen Ende des Prozesses. Dich sofort zu zwingen, das Gute zu sehen tut dir keinen Gefallen. Statt Zuversicht macht sich Frust und Verzweiflung breit. Übrigens, bereits nach kurzer Zeit über die zukünftigen Verbesserungen nach der Corona-Krise zu sinnieren ist nur eines: das beruhigende Pfeifen im Wald, um sich mit den eigenen Ängsten nicht auseinander setzen zu müssen.
Unsere Gefühle tanzen Tango, nicht Foxtrott
Als Coaches vertreten wir den lösungsorientierten Ansatz. Doch gerade in diesem Vorgehen gilt es als gute Praxis, nicht zu schnell aus dem sogenannten Problem- in den Lösungsraum zu springen. Gunther Schmidt, der Pionier der hypnosystemischen Therapie und Beratung, betitelt eines seiner Standardwerke nicht umsonst „Liebesaffären zwischen Problem und Lösung“. In dieser Affäre tanzen unsere Gefühle im spannungsgeladenen Tango vor und zurück, nicht im schnellen Foxtrott in eine Richtung.
Drei Tipps für dich
Findest du dich in einer krisenhaften Situation wider, kannst du deswegen drei Dinge für dich selbst tun:
- Erlaube dir, dass es dir schlecht geht. Unterdrücke unangenehme Gefühle nicht, sondern übe dich in Rücksichtnahme mit dir selbst.
- Betrachte Stimmungsschwankungen als Zeichen von Bewegung. Fokussiere nicht zu sehr auf das Auf und Ab deiner Gefühlslage. Die Wellen zeigen dir, dass etwas im Fluss ist.
- Schaffe eine Balance von Festhalten und Loslassen. Lass die Verlustangst und das Festhalten-wollen ein Signal für das sein, was dir wichtig ist. Gib der Frage immer mehr Raum, wovon du dich lösen solltest oder möchtest.
In Krisen stecken große Chancen. Wenn wir uns auf auf den Prozess einlassen. Und die Suche nach dem Guten darin erstmal auf später verschieben.